4E-Kognition

Definition der Kognition:
Kognition umfasst die mentalen Prozesse des Wahrnehmens, Denkens, Erinnerns, Problemlösens und Entscheidens. Traditionell wurde Kognition als ein im Gehirn lokalisierter, informationsverarbeitender Prozess verstanden.

Definition der 4E-Kognition:
Die 4E-Kognition erweitert das traditionelle Verständnis von Kognition und beschreibt sie als embodied (verkörpert), embedded (eingebettet), extended (erweitert) und enactive (enaktiv). Dieser Ansatz betont, dass kognitive Prozesse nicht auf das Gehirn beschränkt sind, sondern den gesamten Körper, die Umwelt und die Interaktionen zwischen Organismus und Umwelt einbeziehen.

Diskussion:
Die 4E-Kognition stellt einen Paradigmenwechsel in unserem Verständnis kognitiver Prozesse dar und hat weitreichende Implikationen für unser Verständnis von digitalen und künstlichen Resonanzräumen.

  1. Embodied (Verkörperte) Kognition:
    Dieser Aspekt betont die Rolle des Körpers in kognitiven Prozessen. Lakoff und Johnson (1999) argumentieren, dass selbst abstrakte Konzepte auf körperlichen Erfahrungen basieren. Im Kontext digitaler Resonanzräume führt dies zu Fragen, wie virtuelle oder erweiterte Realitäten unsere verkörperte Kognition beeinflussen können. Beispielsweise könnten immersive VR-Erfahrungen neue Formen der verkörperten Kognition ermöglichen, die über unsere physischen Körpergrenzen hinausgehen.
  2. Embedded (Eingebettete) Kognition:
    Dieser Aspekt betont die Rolle der Umwelt in kognitiven Prozessen. Hutchins (1995) zeigte in seiner Studie zur „verteilten Kognition“, wie kognitive Prozesse über Individuen und Artefakte in einem System verteilt sind. In digitalen Resonanzräumen könnte dies bedeuten, dass unsere Kognition zunehmend in digitale Infrastrukturen und Netzwerke eingebettet wird, was zu neuen Formen kollektiver Intelligenz führen könnte.
  3. Extended (Erweiterte) Kognition:
    Dieser Aspekt, basierend auf der Arbeit von Clark und Chalmers (1998), argumentiert, dass kognitive Prozesse über die Grenzen des Gehirns hinausgehen und externe Ressourcen einbeziehen können. In digitalen und künstlichen Resonanzräumen könnte dies bedeuten, dass KI-Systeme, Cloud-Computing und vernetzte Geräte zu Erweiterungen unserer kognitiven Fähigkeiten werden.
  4. Enactive (Enaktive) Kognition:
    Dieser von Varela et al. (1991) entwickelte Aspekt betont, dass Kognition durch die aktive Interaktion eines Organismus mit seiner Umwelt entsteht. In digitalen Resonanzräumen könnte dies zu neuen Formen der Interaktion und Sinnstiftung führen, bei denen die Grenzen zwischen Benutzer und System verschwimmen.

Die Arbeiten von Stanciu (2023) und Newen et al. (2018) erweitern unser Verständnis der 4E-Kognition und ihrer Implikationen für digitale und künstliche Resonanzräume:

  1. Historische Kontinuität: Stanciu’s Arbeit zeigt, dass die Ideen der 4E-Kognition tiefe historische Wurzeln haben. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, bei der Gestaltung digitaler und künstlicher Resonanzräume nicht nur technologische, sondern auch philosophische und kulturelle Aspekte zu berücksichtigen.
  2. Bewusstsein in digitalen Räumen: Die Verbindung zwischen 4E-Kognition und Bewusstsein, wie sie von Stanciu diskutiert wird, eröffnet neue Perspektiven auf die Frage, wie Bewusstseinserfahrungen in digitalen und künstlichen Resonanzräumen entstehen und gestaltet werden können.
  3. Interdisziplinäre Ansätze: Das Oxford Handbook of 4E Cognition betont die Notwendigkeit interdisziplinärer Ansätze. Dies legt nahe, dass die Gestaltung effektiver digitaler und künstlicher Resonanzräume die Zusammenarbeit von Experten aus verschiedenen Bereichen wie Kognitionswissenschaft, Informatik, Philosophie und Designwissenschaften erfordert.
  4. Soziale Kognition: Die Betonung sozialer Kognition im Handbuch unterstreicht die Bedeutung der Gestaltung digitaler Resonanzräume nicht nur für individuelle, sondern auch für kollektive kognitive Prozesse.
  5. KI und 4E: Die Diskussion der Anwendungen von 4E-Kognition in der KI-Forschung im Handbuch eröffnet neue Perspektiven für die Gestaltung künstlicher Resonanzräume, die möglicherweise stärker an menschlichen kognitiven Prozessen orientiert sind.

Auswirkungen auf digitale und künstliche Resonanzräume:

  1. Erweiterung der Resonanzerfahrung:
    Die 4E-Kognition suggeriert, dass digitale und künstliche Resonanzräume nicht nur als externe Umgebungen, sondern als integrale Bestandteile unserer kognitiven Prozesse verstanden werden können. Dies könnte zu tieferen und umfassenderen Resonanzerfahrungen führen, die über rein mentale oder emotionale Reaktionen hinausgehen.
  2. Neugestaltung der Mensch-Maschine-Interaktion:
    Basierend auf dem Konzept der enaktiven Kognition könnten künstliche Resonanzräume so gestaltet werden, dass sie eine aktivere und wechselseitigere Interaktion zwischen Mensch und KI ermöglichen. Dies könnte zu adaptiveren und kontextsensitiveren KI-Systemen führen.
  3. Kollektive Kognition in digitalen Räumen:
    Die Konzepte der eingebetteten und erweiterten Kognition legen nahe, dass digitale Resonanzräume zu Plattformen für kollektive Kognition werden könnten. Surowiecki (2004) diskutiert in „The Wisdom of Crowds“ ähnliche Ideen, die durch die 4E-Perspektive weiter vertieft werden könnten.
  4. Ethische Herausforderungen:
    Die Verschmelzung von Kognition und Technologie, wie sie durch die 4E-Perspektive nahegelegt wird, wirft wichtige ethische Fragen auf. Floridi (2014) diskutiert in seiner „Philosophie der Information“ ähnliche Herausforderungen, die durch die Integration von KI in unsere kognitiven Prozesse noch verstärkt werden.
  5. Neue Formen der Bildung und des Lernens:
    Die 4E-Kognition impliziert, dass Lernen und Bildung in digitalen und künstlichen Resonanzräumen nicht nur auf Informationsübertragung, sondern auf ganzheitliche, verkörperte und interaktive Erfahrungen ausgerichtet sein sollten.

Zukünftige Forschung sollte untersuchen, wie die verschiedenen Aspekte der 4E-Kognition in der Gestaltung digitaler und künstlicher Resonanzräume berücksichtigt werden können, um reichhaltigere, integrativere und ethisch vertretbare Interaktionen zwischen Menschen und Technologie zu ermöglichen.

Literaturverzeichnis:

Clark, A., & Chalmers, D. (1998). The extended mind. Analysis, 58(1), 7-19.

Floridi, L. (2014). The fourth revolution: How the infosphere is reshaping human reality. Oxford University Press.

Hutchins, E. (1995). Cognition in the Wild. MIT Press.

Lakoff, G., & Johnson, M. (1999). Philosophy in the flesh: The embodied mind and its challenge to western thought. Basic Books.

Newen, A., De Bruin, L., & Gallagher, S. (Eds.). (2018). The Oxford handbook of 4E cognition. Oxford University Press.

Stanciu, D. (2023). Consciousness, 4E cognition and Aristotle. Springer Nature.

Surowiecki, J. (2004). The wisdom of crowds. Anchor.

Varela, F. J., Thompson, E., & Rosch, E. (1991). The embodied mind: Cognitive science and human experience. MIT Press.

[Auszug aus Kapitel 2 des Manuskripts]

Die Kognitionsforschung befasst sich mit den mentalen Prozessen, die der Aufnahme, Verarbeitung, Speicherung und Anwendung von Informationen zugrunde liegen. Die Grundlagen der Kognition umfassen verschiedene Komponenten wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Denken, Problemlösung, Sprache und Entscheidungsfindung. Diese Elemente interagieren miteinander, um unser Verständnis und unsere Interaktion mit der Welt um uns herum zu ermöglichen. 

Gegenstand der Forschung ist dabei, wie der Geist visuelle, auditive und andere sensorische Informationen verarbeitet, um eine kohärente Erfahrung der Realität zu erstellen. Dafür gibt es einige Hauptkategorien.

Die Aufmerksamkeit bezieht sich dabei auf den Prozess der Fokussierung auf bestimmte Informationen oder Reize, während andere ignoriert werden. Dies Fähigkeit ist von entscheidender Bedeutung für die Verarbeitung von Informationen in einer oft überstimulierenden Umgebung.

Die Erforschung vom Gedächtnis umfasst die Art und Weise, wie Informationen kodiert, gespeichert und abgerufen werden kann. Forscher unterscheiden zwischen verschiedenen Arten von Gedächtnis, wie dem kurzfristigen und langfristigen Gedächtnis, sowie spezifischen Systemen wie dem episodischen und dem prozeduralen Gedächtnis.

Denken umfasst die Prozesse, die bei der Manipulation von Informationen zur Problemlösung, Entscheidungsfindung und Konzeptbildung beteiligt sind. Gegenstand der Forschung ist dabei die Untersuchung der menschlichen Denkprozesse, insbesondere der Logik, Schlussfolgerungen und kreativen Problemlösungen.

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